- Fibel und bronzezeitliches Gewand
- Fibel und bronzezeitliches GewandAufgrund biologischer Zerfallsprozesse sind im Boden aus organischen Substanzen gefertigte Gegenstände äußerst selten erhalten geblieben. Deshalb gibt es nur wenige Funde von wollenen und leinenen Textilien aus der europäischen Bronzezeit. Für die meisten Zeitabschnitte und Regionen ergeben sich Hinweise auf die bronzezeitlichen Frauen- und Männertrachten nur aus ihren unvergänglichen Bestandteilen, vor allem dem Metallbesatz. Es ist nicht möglich, mithilfe der wenigen erhaltenen Stoffstücke eine komplette Tracht zu rekonstruieren. Einen genaueren Eindruck von der damals üblichen Kleidung vermitteln allerdings die durch Bodenverhärtung (»Ortstein«) luftdicht versiegelten, Trachthügel der Nordischen Bronzezeit und einige Stofffetzen aus den alpinen Feuchtbodensiedlungen.Die meisten Wollgewebe stammen aus den Baumsargbestattungen der Periode II des Nordischen Kreises mit ihren vorzüglichen Konservierungsbedingungen. Der Mann trug eine Art Wickelrock oder einen kimonoartig geschnittenen, knielangen Kittel, der vorne übereinander gelegt war und von einem Stoffgürtel mit Quasten und einem über die Schulter laufenden Lederriemen gehalten wurde. Der umhangartige Mantel war aus einem Stück in viereckiger oder ovaler Form gewebt. Den Kopf bedeckte eine halbkugelförmige dicke Filzkappe, die Füße steckten in Leder- oder Wollschuhen. Die Frau trug ein blusenartiges Jäckchen mit unterschiedlich langen Ärmeln und einen schweren und knapp wadenlangen Rock, den ein kunstvoll gewirkter Gürtel mit großem Scheibenverschluss zusammenhielt. Bei entsprechender Witterung zog sie einen kurzen ärmellosen Schulterumhang darüber. Ihr Kopfhaar wurde mitunter von einem fein gewebten Netz gehalten. Kappen mit großem, Kopf und Schultern bedeckenden Schleier oder Tuch sowie Hauben sind durch ihren bronzenen Besatz nachgewiesen. Dazu kamen als Sicherung und Gewandschmuck große Bronzenadeln und Verschlüsse oder Besatz am Gürtel, ergänzt von um den Hals und an Ober- oder Unterarm getragenen Bronzeschmuck, auch Wadenschmuck ist belegt. Auch in der mitteleuropäischen Hügelgräberbronzezeit trug die vornehme Frau sehr schwer wirkenden Gürtel- und Gewandbesatz: Der Besitz an Bronze wurde zur Schau getragen.Das Interesse der Forschung gilt schon immer den Fibeln. Wegen ihres Modecharakters sehr schnelllebig, sind diese für die Bestimmung der bronzezeitlichen Zeitabschnitte äußerst aufschlussreich. Aus dem oft räumlich abgrenzbaren Vorkommen der Fibeltypen, zum Beispiel in einem Umkreis von 100 bis 200 km oder gar kleinräumiger, kann auf zahlreiche lokale Herstellungs- und Trachtgebiete geschlossen werden. Zudem erlangen viele Fibelformen infolge ihrer zur Ausgestaltung und Ausschmückung verwendeten Motive eine Bedeutung als Symbolträger; aufgrund ihrer Vergesellschaftung mit anderen Funden, die etwa auf ein Frauen-, Männer- oder Kriegergrab hinweisen, geben Fibeln oft auch Aufschluss über den sozialen Status ihres Trägers. Fibeln sind in Europa während der Altbronzezeit noch völlig unbekannt. Die ersten Fibeln kommen im Nordischen Kreis in der Periode II im 14. Jahrhundert v. Chr. vor, während in den gleichzeitigen Gruppen der mitteleuropäischen Hügelgräberbronzezeit Männer und Frauen ihre Gewänder noch mit Nadeln verschlossen. Es sind zweigliedrige Fibeln, Nadel und Bügel sind jeweils Einzelteile; der Bügel wird durch eine Öffnung in der beweglichen Nadel gehalten. Hauptformen der fast in jedem vierten Grab der älteren Nordischen Bronzezeit vorkommenden, circa 10-20 cm langen zweigliedrigen Fibeln waren Spiralfibeln mit flachem Nadelkopf oder Kreuzkopfnadel sowie Ringkopffibeln. Sie gehörten zur Frauen- und Männertracht; reich ausgestatteten Kriegern waren sie paarweise mitgegeben. In der jüngeren Bronzezeit Nordeuropas waren vor allem die in Lehmgussformen hergestellten Plattenfibeln beliebt. Neben bis zu 30 cm langen Stücken gab es auch Miniaturformen. Die Platten der Fibeln waren häufig durch Punzmuster oder plastische Leisten verziert. Handwerkliche Meisterstücke sind die goldblechbelegten Plattenfibeln, von denen bisher nur sechs Exemplare gefunden wurden, drei davon mit Schlangendarstellungen, die auf den bronzenen Plattenfibeln fehlen. Bestimmte Fibeln waren Frauen oder Männern vorbehalten. Dies zeigt sich in der »Lüneburger Gruppe« der Bronzezeit, die eine Mittlerstellung zwischen dem Süden und Norden einnahm. Fibeln mit weidenblattförmigem Bügel sind nur aus Männergräbern bekannt, während in den Frauengräbern aus derselben Zeit die Haarknotenfibeln zu finden sind, die - durch Fundlagenbestimmungen gesichert - am Hinterhaupt, wohl in einem Haarknoten, getragen wurden. Auch die großen Spiralfibeln mit doppeltem oder auch dreifachem Kreuzbalkenkopf der Nadel sind eine typische Frauengrabbeigabe.Im südlichen Mitteleuropa, in Italien und in Südosteuropa tauchten die ersten Fibeln erst zu Beginn der Urnenfelderzeit (13. Jahrhundert v. Chr.) auf, sie sind zunächst stets von eingliedriger Form. Bei den eingliedrigen Fibeln sind Nadel und Bügel aus einem Stück mittels einer Federspirale elastisch verbunden, es handelt sich somit um die Vorläufer unserer Sicherheitsnadeln. Das Material ist fast immer Bronze. Die frühesten Formen aus dem südlichen Mitteleuropa sind die einteiligen Drahtbügelfibeln mit der Untergruppe der Violinbogenfibeln als ältester Ausprägung, die sogar bis in die Ägäis gelangten. Sie entwickelten sich weiter zu den einteiligen Bogenfibeln. Schon wesentlich komplizierter gefertigt sind solche einteiligen Fibeln, deren Bügel wellen- oder spiralförmig gebogen sind. Auch wurden die Endspiralen immer größer. Durch immer dünneres Austreiben des Bügels entwickelten sich aus anderen Formen ein- und zweiteilige Blattbügelfibeln. Die großen Stücke dieser Form sind technologisch gleichzeitigen Blecharbeiten verwandt. So findet sich die Punktbuckelverzierung auf Bronzegefäßen wieder; möglicherweise wurden Blechgefäße, Schutzwaffen und Fibeln in denselben Werkstätten getrieben. Am Ende der urnenfelderzeitlichen Fibelentwicklung stehen die Brillenfibeln.In der Regel wurden im Kreis der Urnenfelderkulturen die Fibeln einzeln in den Brandgräbern gefunden. Aufgrund der Beigabenkombinationen kann man von einigen frühen Drahtbügelformen annehmen, dass sie nur von Männern getragen wurden. Jedoch dürften die Urnenfelderfibeln in der Mehrzahl Bestandteil der Frauentracht gewesen sein, ebenso wie die farbigen Glas- und Bernsteinketten. Aus der Größe und Länge der Fibeln, besonders ihrer Nadel, kann man auf die Stärke des Stoffes schließen, den sie zusammenhielten. Größere Fibeln dienten wahrscheinlich zum Schließen des Obergewandes, eines Mantels oder Umhangs, kleinere zum Zusammenhalten der unter ihm getragenen übrigen Kleider.Auch im südlichen Mitteleuropa entstanden handwerklich hervorragend gearbeitete Fibeln, unter ihnen die Posamenteriefibeln. Sie sind aus feinen Drähten gebogen, die bis über einen Meter lang sein konnten. Die Einzelteile wurden mit angegossenen Klammern zusammengefügt.Eine Reihe von Fibeln der europäischen Bronzezeit sind mit lanzettförmigen Anhängern oder mit Wasservögeln oder Teildarstellungen der Vögel (Vogelprotomen) versehen und zeugen davon, dass die Fibeln auch Symbolträger urnenfelderzeitlicher Glaubensvorstellungen waren.Prof. Dr. Albrecht JockenhövelArchäologische Bronzen, antike Kunst, moderne Technik, herausgegeben von Hermann Born. Ausstellungskatalog, Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin. Berlin 1985.
Universal-Lexikon. 2012.